München sieht PINK!

Milic Jovanovic Musical Sweeney ToddMünchens neuer Musicalstar, Milica Jovanovic, putzt sich die Nase. „Entschuldigung, die Erkältung hab’ ich mir in London eingefangen“, sagt sie und lächelt. Heute Abend ist am Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz Premiere von „Sweeney Todd“. Jovanovic, die alle Mili nennen, spielt in dem Stück die Johanna. Wenn der Vorhang aufgeht, vergisst die 25-Jährige ihren Schnupfen, und dieses Kitzeln im Bauch spürt sie auch nicht mehr. Dann zählt nur noch die Bühne. Doch bis dahin sind noch drei Stunden. Damit Mili nicht die ganze Zeit Sekunden zählt, hat MFJ sie ein wenig abgelenkt und mit ihr geplaudert. Ein Gespräch über Niederlagen, Ohrwürmer und Milis persönliches Erlebnis mit Sir Andrew Lloyd Webber.

Hallo Mili, Du bist sechs Mal abgelehnt worden, bevor Du einen Platz an einer Musicalakademie bekommen hast. Was ist da schief gelaufen?

Das wüsste ich auch gerne. Mal war ich zu mädchenhaft, mal zu viel Frau, mal zu unerfahren, mal schon zu weit. Es war eine harte Zeit.

Nach dem Abitur hast Du erst zwei Jahre in Essen Musik auf Lehramt studiert. Dann hast Du doch noch einen Platz für dein Musicalstudium an der Bayerischen Theaterakademie August Everding bekommen.

Ja, genau. Hier in Deutschland gibt es ja nur vier staatliche Schulen für Musical. Als München mir zusagte, war klar, dass es mich in diese Stadt verschlagen würde. Vorher war ich so verzweifelt, weil ich nicht wusste, ob ich es überhaupt irgendwo schaffe. Ich war so oft in den Endrunden, aber dann hat es eben doch nicht gereicht, einen Platz zu bekommen. Heute denke ich, es sollte wohl so sein, dass ich hier gelandet bin.

Wieso?

Die vielen Absagen haben mich abgehärtet. Das kann ganz nützlich sein in der Musical-Welt. Wir arbeiten alle ziemlich hart, um jeden Abend das Publikum zu begeistern. Krank werden, oder einfach mal frei nehmen, ist nicht drin. Und dann habe ich durch die Absagen gelernt, dass man kämpfen muss, wenn man einen Traum hat.

Deine Hartnäckigkeit hat sich gelohnt. Mittlerweile hast Du einige Preise eingeheimst: Sonderpreis beim Bundesgesangswettbewerb Berlin, Siegerin beim WestLB-Wettbewerb mit Erhalt eines Trimesters in London an der „Royal Academy of Music“, Siegerin beim Landeswettbewerb für Gesang in Nordrhein-Westfalen und auch einen Preis bei „Jugend musiziert“. Dein Trimester in London hast Du vergangenen Herbst in Anspruch genommen. Erzähl doch mal ein bisschen.

Das war toll. Ich konnte es am Anfang erst einmal nicht glauben.

Milic Jovanovic Musical Sweeney ToddNun hast Du ja mit 3 Monaten London-Studium einen Vergleich zu Deutschland. Erkennst Du Unterschiede in der Ausbildung? Ich meine, Großbritannien ist wie auch Amerika musicaltechnisch fortgeschrittener und hat mehr Erfahrungen in diesem Gebiet als Deutschland aufzuweisen.

Da stimmt, es ist mehr verwurzelt. Musical wird in London viel mehr wertgeschätzt. Ich habe das Gefühl, wir hier in Deutschland müssen immer kämpfen, dass wir anerkannt werden. Von Schauspielern, dass wir auch spielen können, von Sängern, dass wir auch singen können.

Meinst Du, es kann auch damit zusammen hängen, dass beispielsweise unsere Publikumsrenner wie „Tanz der Vampire“ in Amerika und England nicht angenommen werden, im Gegensatz dazu aber „Wicked“ dort das Non Plus Ultra ist, was bei uns hingegen eher mittelmäßig läuft?

Ich glaube schon, dass es damit ein bisschen zusammen hängt. Es hat mit Hörgewohnheit zu tun. Wir hier in Europa sind stärker von der klassischen Musik geprägt.

Welche unvergesslichen Erinnerungen hast Du aus London mitgenommen?

Milic Jovanovic Musical Sweeney ToddIch durfte eine Woche für Andrew Lloyd Webber arbeiten. Das war ein Tryout für den zweiten Akt von „Phantom der Oper“ – 2, das im Herbst startet. Wir waren drei Mädls, die die gesamten Chorstimmen singen durften. Die Musik ist der Wahnsinn. Ja, und als Andrew Lloyd Webber in den Raum kam, dachte ich mir auch erst einmal „Krass, da steht er!“ Ich wollte schon als kleines Mädchen wegen „Phantom“ richtig hoch singen können. Und da stand ich dann und hab mit ihm gearbeitet. Ein tolles Erlebnis.

Kommen wir zu Deinem Engagement hier am Staatstheater. Wie hat sich das angefühlt, als Du die Zusage für die Rolle von Johanna in „Sweeney Todd“ bekommen hast?

Für mich war es wirklich ein Traum, diese Rolle zu spielen. Im ersten Jahr meines Studiums habe ich schon die „Grünfink“- Arie der Johanna gesungen. Ich konnte es damals noch nicht richtig singen, aber geliebt hab ich es. Lustig, ich trug damals auch ein rosafarbenes Kleid, wie hier im Stück. Das war wie ein Flashback für mich.

Was bedeutet dir Johanna als Charakter?

Ich finde diese Rolle spannend. Besonders in dieser Inszenierung erlebt sie eine große Entwicklung. Es freut mich, dass ich jemanden spielen darf, der sehr einsam ist, am Ende total verrückt wird und unter großen Existenzängsten leidet.

Wieso?

Ich finde es schauspielerisch sehr spannend, dass sie sich am Ende das Leben nimmt, sie weiß einfach keinen Ausweg mehr. Der Mann, den sie liebt – Anthony – ist tot, also ist sie ganz alleine.

Milic Jovanovic Musical Sweeney ToddHast Du dich denn in deiner Umsetzung des Charakters Johanna auch von den beiden „Vorgängerinnen“ der Filme inspirieren lassen?

Nein, ich wusste gerade in dem Film von Tim Burton gar nicht, was ich mir da abgucken sollte. Sie singt darin zwar fabelhaft, aber die Rolle ist so inszeniert, dass sie eine einseitige Persönlichkeit hat. Sie ist hübsch und singt vor sich hin. Die Sequenz „Küss mich“ fehlt komplett, das finde ich schade.

Warum glaubst Du, dauerte es so lange, bis „Sweeney Todd“ den Weg bei uns in Deutschland auf die Bühne gefunden hat? In New York läuft es seit den 70’er Jahren sehr erfolgreich.

Ich glaube, wir haben hier mit solchen Stücken generell Probleme. Hinzukommt, dass sich ein Komponist wie Sondheim besonders schwer tut, sich zu etablieren-  und „Sweeney Todd“ hat einen speziellen Humor.

Ich hoffe, dass das Stück hier ankommen wird, denn ich finde es alleine von der Musik her schon so stark. Unser Pianist vergleicht Sondheim oft mit Wagner. Er hat auch immer für jede Rolle ein eigenes Motiv geschrieben. In „Sweeney Todd“ ist es genauso. Bei mir ist es das musikalische Motiv „Grünfink“, Anthony hat „Johanna“ usw. und wenn Du alle zusammenfasst, dann ergeben sie ein Ganzes, es passt alles. Das ist grandios.

Milic Jovanovic Musical Sweeney ToddTrotzdem finde ich ist die Musik dennoch nicht so angelegt, dass ein Ohrwurm dem nächsten folgt. Sie ist anspruchsvoll und auf keinen Fall seicht dahinplätschernd.

Ja, das stimmt.  Gerade die Parts von Sweeney Todd oder Mrs. Lovett sind der Hammer. Die haben diese ständigen Tempiwechsel, das ist wirklich krass. Ich bewundere das sehr.

Kommen wir zu Deiner Zukunft. Du wirst im Sommer in Tecklenburg in „AIDA“ die Rolle der Nehebka spielen und bist desweiteren im Ensemble bei „Evita“ zu sehen. Wie muss man sich Mili in AIDA als Ägypterin, braungebrannt vorstellen, Du bist ja doch eher hellhäutig?

(Lacht) Das ist so lustig. Das ist die Frage, die mir jeder als erstes stellt, ob ich da angemalt werde. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, vielleicht stecken sie mich ja vorher ins Sonnenstudio. Ich freue mich über die Rolle der Nehebka sehr, sie hat dieses schöne Duett – „Die Sonne Nubiens“. Das Schöne an „Evita“ ist, dass Holger Hauer der Regisseur des Stückes ist. Er hat hier in München letztes Jahr „ChristO- die Rockoper“ inszeniert. Mit ihm habe ich sehr gerne gearbeitet .

Tecklenburg generell wird eine spannende Abwechslung für mich, meine erste Freilicht-Sommerproduktion. Es ist eine tolle Chance.

Wie geht’s am Gärtnerplatz weiter?

Ich werde im nächsten Jahr hier am Theater bleiben. Das freut mich besonders, weil ich die Kollegen hier sehr mag. Ich fühle mich wohl in München. Die Stadt ist meine Heimat geworden. Es warten viele neue tolle Stücke auf mich. Im April spiele ich die Premiere von „Liebestrank“. Und in einem Jahr bin ich die „Eliza“ in „My fair Lady“. Das ist meine Traumrolle.

Liebe Mili, ich danke Dir für das nette und lustige Interview, wir sehen uns 😉
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