Disneys „Der Glöckner von Notre Dame“ im Theater des Westens

Photo: Johan Persson

Nach 15 Jahren ist das Stück, basierend auf dem Roman von Victor Hugo mit der Musik von Alan Menken und Stephen Schwartz, unter der Regie von Scott Schwartz wieder zurück in Berlin. Früher war es mit viel Technik und Drumherum beladen, heute setzt man eher auf das reine Theaterspiel. Da fallen die Kulissen zwar schön aus, aber der Fokus liegt mehr auf den Darstellern, wie Jonas Hein in der Rolle des buckeligen Quasimodo und Sarah Bowden als die Zigeunerin Esmeralda. Der Zuschauer blickt aus verschiedenen Perspektiven in bzw. auf Notre Dame in Paris im Jahre 1482. Mal ist man in der Kathedrale, mal oben auf dem Glockenturm, dann sieht man von außen hinein – das alles dargestellt mit Hilfe von ein paar Kirchenbänken, die manuell hin und her bewegt werden. Der stimmgewaltige 24-köpfige Chor (ORSO – Choral Society Berlin) sitzt auf der Bühne auf zwei Ebenen im Hintergrund und gibt dem Stück etwas, was einen gleich so fühlen lässt, als befände man sich in einer Kirche. Rechts und links stehen die steinernen Wasserspeier, ein paar davon sind nicht lebendig, aber die meisten führen ein Eigenleben und reden als Freunde mit Quasimodo, geben Ratschläge und führen ebenfalls als Erzähler durch das Stück. Beeindruckend zwischen dem Gebälk sind die sechs Glocken, die auf der Bühne den Glockenturm darstellen und durch einen Sensor bei Bewegung den Glockenklang auslösen.

Die Geschichte wird den meisten Zuschauern aus dem Roman oder wahrscheinlich eher aus dem Disney Film bekannt sein: Der Glöckner Quasimodo, großgezogen von seinem Onkel, dem Erzdiakon Claude Frollo (großartig gespielt und gesungen von Felix Martin), lebt durch diesen abgeschottet in seinem Glockenturm, möchte aber die Welt draußen auch erleben. Diese Chance nimmt er wahr, als das Narrenfest in der Stadt ist, bei dem er sogar zum König der Narren gekürt wird. Die Stimmung schlägt aber bald um und er wird auf Grund seines Aussehens von den Leuten gedemütigt und misshandelt. Esmeralda (sie lebt mit ihres Gleichen im Wunderhof, Clopin Trouillefou ist dort der Anführer, sehr gut gespielt vom vielseitigen Jens Janke, der schon bei der Premiere 1999 diese Rolle verkörperte) geht dazwischen und so lernen die beiden sich kennen.

Photo: Johan Persson

Doch nicht nur Quasimodo ist von ihr fasziniert, sondern auch Hauptmann Phoebus, der die Seiten wechselt und zu den Zigeunern sich hinwendet (Maximilian Mann) und der Erzdiakon verlieren ihr Herz an die Schöne. Felix Martin spielt überzeugend den zwischen Kirche und Frau strauchelnden Diakon, ein Highlight des Stückes ist das Lied „Esmeralda“ am Ende des ersten Aktes. Die unerwiderte Liebe des Diakons zu Esmeralda verleitet ihn dazu, dass er sie als Hexe verbrennen lassen möchte, was aber Quasimodo zu verhindern weiß. Was dem Zuschauer sicherlich im Gedächtnis bleiben wird, ist der Kampf zwischen den Beiden, der so endet, dass Quasimodo den Erzdiakon vom Glockenturm wirft – gut im Ohr hat man noch das dumpfe Aufkommen des Körpers auf dem Boden.

Photo: Johan Persson

Das Stück, durch seine Thematik im Moment sehr aktuell und auf die heutige Zeit übertragbar, ist wesentlich düsterer geworden, als man es in Erinnerung hat. Es ist kein buntes Gute-Laune-Musical – es geht tiefer. Jonas Hein stellt den Entstellten gut dar, ist teilweise aber eher niedlich, als durch seine entstellte Optik abstoßend. Gesanglich überzeugt er voll und ganz, besonders bei dem bekannten Lied „Draußen“ (Deutsche Texte: Michael Kunze). Bowden passt gut in die Rolle der Esmeralda; die gebürtige Australierin füllt die Rolle mit leben und auch ist es kein Makel, dass ihre Muttersprache nicht Deutsch ist – sie ist gut verständlich.  Die weitern Darsteller, wie zum Beispiel Kevin Köhler (Leutnant Frederic Charlis), Tim Reichwein (Jehan Frollo) und Barbara Raunegger (Madame) leisten alle sehr gute Arbeit. Der als St. Aphrodisius auf der Bühne stehende Romeo Salazar bringt das Publikum zum Schmunzeln, indem er seinen Kopf mal in den Händen hält, dann aber doch wieder auf dem Hals hat – eine sehr schöne Idee!

Photo: Johan Persson

Ein lohnenswertes Stück ist dieses Musical in seiner neuen Fassung, die mehr an dem ursprünglichen Roman ist, als an dem Disney-Film, alle mal, was die Begeisterung im Publikum nach der Show deutlich zeigt. Noch bis zum 04. November stehen die Künstler acht Mal die Woche auf der Bühne, nehmen die Zuschauer mit nach Paris  des 15. Jahrhunderts und verzaubern sie dort.

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