Grandiose Premiere der Rocky Horror Show von Richard O’Brien auf dem Magdeburger Domplatz mit starker Besetzung

Christina Patten, Dominik Hees

Am gestrigen 20. Juni schnappte sich das Publikum, darunter auch der ein oder andere verkleidete Fan, Reis, Wasserpistole, Zeitung und alles weitere, was zu dem interaktiven Theater dazugehört und sorgte auf dem Domplatz in Magdeburg, wo die Rocky Horror Show, nach einer Inszenierung von dem renommierten Musical-und Theaterregisseur Ulrich Wiggers, der z. B. letztes Jahr den „Schuh des Manitu“ in Tecklenburg auf die Bühne brachte, unter freiem Himmel Premiere feierte.

Die Handlung wird dem Musicalgänger gut bekannt sein, zieht das Stück doch schon seit 41 Jahren die Menschen in die Theater und auch die Verfilmung aus dem Jahre 1975 ist den meisten wohl ein Begriff. Hierbei kommen leider auch so einige ins Schleudern und bezeichnen das Theaterstück als Rocky Horror Picture Show, was aber falsch ist, da lediglich der Film den Zusatz „Picture“ trägt. Also, liebe Fans, wenn ihr ins Theater geht, seht ihr die Rocky Horror Show, seid ihr aber Kino, wo der Film auch regelmäßig noch gezeigt wird, ist es hingegen die Rocky Horror Picture Show.

Jedenfalls konnte das Publikum Brad Majors und seine Verlobte Janet Weiss, beide von der biederen Art und Weise, dabei begleiten, wie sie bei einem Unwetter (von dem auch das Publikum Dank Nutzen der Wasserpistolen nicht verschont blieb) eine Reifenpanne haben und das Schloss des Dr. Frank N. Furter aus Transsexual, Transylvania, samt seiner Kreaturen aufsuchen, um Hilfe zu erbeten. Statt Hilfe zu bekommen, erfahren sie aber fortan eine Zeit voller Begierde, Sünde und Sinnlichkeit. Zudem werden sie Zeugen, wie der exzentrische Schlossherr seinen eigenen Muskelmann „Rocky“ zum Leben erweckt. Das sexuelle Gefühlschaos bringt einiges bei dem zukünftigen Ehepaar durcheinander und auch Frank hat seine Gegenspieler in Form des Geschwisterpaares Riff Raff und Magenta, die wieder auf ihren Planeten zurückkehren wollen… und zurück bleiben nur Nacht, Dunkelheit, Leere und zwei Menschen, die damit leben müssen, was in den vergangenen Stunden –mit ihnen- passiert ist. Was alles so passiert, kann man noch bis zum 13. Juli erleben, Karten gibt es unter http://www.theater-magdeburg.de – man sollte sich aber beeilen, sind die Vorstellungen, besonders freitags und samstags, doch immer gut verkauft. Schon vor der Premiere lag die Auslastung bei über 93% aller 22.932 Karten. Ein Trost für alle, die dieses Jahr eventuell keine Karten mehr bekommen konnten: Eine Wiederaufnahme ist für den 19.06.2015 geplant!

Bei der Besetzung haben die Magdeburger auch ein sehr gutes Händchen gehabt, Dominik Hees, 25 Jahre jung, u.a. bekannt aus Buddy Holly und Cats (Buddy und Rum Tum Tugger), überzeugt voll und ganz. Als attraktiver, selbstverliebter Frank N. Furter, ent- und verführt er sowohl Janet (Jeannine Michele Wacker) und Brad (Maximilian Mann), als auch das Publikum als „Sweet Transvestite“ gekonnt in seine Welt der Erotik und des sexuellen Freiraumes. Janet und Brad können ihm, nach kurzem Entsetzens über eine Verwechselung, doch nicht widerstehen, was kein Wunder ist, denn Hees stöckelt gekonnt in High Heels, als habe er nie etwas anders zuvor gemacht, mit verführerischer Stimme und sensationeller Ausstrahlung über die Bühne und bezirzt seine Gegenüber.

Jeannine Wacker (We will rock you/Scaramouche/Basel und Essen) ist die vorerst moralische Janet Weiss, die hübsch, bieder mit langen braunen Haaren und lieblicher Stimme, zu einer sexy Frau mit Verlangen mutiert und deren Verlobter Brad Majors es nicht anders ergeht. Bieder im Jackett mit Brille gibt auch Maximilian Mann (Mein Avatar und ich/Berlin) seinem Charakter eine erstaunliche Wendung. Beide spielen ihre Rollen vom konventionellen baldigem Ehepaar über die pure Lust des Fleisches, mit vernebeltem Verstand, bis hin zu dem nachdenklichen Ende, durchweg glaubhaft und mit Hingabe.

Riff-Raff, der große, schlanke Diener des Schlossherren mit blonden, im Wind wehenden Haaren, wird mit phänomenaler Stimme von Marlon Wehmeier (Frühlings Erwachen/Wien) gespielt, der im Team mit seiner sexy Schwester Magenta, verführerisch dargestellt von Lucy Scherer (Tanz der Vampire, Wicked), dem Treiben von Frank ein Ende setzen möchte.

Unschuldig, durchtrainiert und etwas dumm kann man die Rolle von Tobias Bieri (We will rock you/Galileo/Basel) beschreiben, der mit den genannten Adjektiven dem Geschöpf Rocky ein Gesicht gibt. Muskulös und mit gutem Gesang, im orangenem Body, ist er ein gelungenes Spielzeug für die Protagonisten.

 

Klein, schrill, kreischend, quietschig, bunt, inklusive knallroter Lockenperücke tritt Christina Patten (Rebecca/Ich/Stuttgart) als verrückte Columbia auf die Bühne, muss aber leider den Mord an ihrem Lover Eddie, der mit einem knatternden Motorrad auf das Gelände fährt, überzeugend rockig gespielt von Tobias Regner, miterleben. Für Tobias Regner ist es die die erste Rolle in einem Musical, er gewann 2006 die Sendung „Deutschland such den Superstar“. Einzig die bekannte Steppeinlage der Columbia wird wohl der ein oder andere Fan vermisst haben.

In bunt kariertem Anzug mit gelben Schuhen und Handschuhen führt Peter Wittig als Narrator, begleitet von „boring“-Rufen des Publikums (und sogar der Darsteller), dieses durch die Geschichte. In weiteren Rollen sind Wolfgang Klose als plötzlich vor dem Schloss stehender, bzw. eher sitzender, Dr. Everett Scott („huh“), der optisch sehr an Einstein erinnert, sowie das Ensemble und das ausgezeichnete Ballett Magdeburg zu sehen.

Die Kulisse ist puristisch gehalten, ein wie aus Granti bestehendes Gebilde, mit großer Steintreppe, Steinsäulen, so dass die davor handelnden, bunten Darsteller gut zur Geltung kommen. Des Weitern werden zwei große, miteinander verbundene, aufblasbare „Betten“ eingesetzt, die auch eine Art Treppe in der Mitte haben, die bei der Floor-Show zum Einsatz kommt, wenn die Darsteller in chicen weißen Strapsen, weißen-silbrigen Korsagen, weißen Federboas und Co. zum Finale ansetzen.

Auch sorgt ein kleiner gelber Trabbi für Lacher im Publikum, wenn Brad und Janet mit diesem ihre Reifenpanne erliegen.

Ein Vorteil einer Freilichtbühne: Man ist bei den Ausmaßen einer normalen Bühne in Breite und Höhe doch räumlich eingeschränkt. Nicht so in Magdeburg: Da erscheinen auch Darsteller oben auf dem Bühnenbogen, was wirklich eindrucksvoll ist, sie wirken klein und man bekommt somit erst einen Eindruck, wie große die Bühne und dahinter der Dom ist. Auch wird dieser Freiraum genutzt, indem man Luftballons in den Himmel steigen lässt.

Die Kostüme und Perücken sind bunt, grell und schrill, Hees erscheint in schwarzen Plateau Overknees und, wie es sich gehört, mit schwarzen gelockten Haaren. Als winziger Kritikpunkt ist bei der ganzen Show lediglich zu sagen, dass es etwas schade ist, dass ein Teil der Hauptcharaktere, im übrigen Ensemble optisch etwas „untergeht“, da ihr Kostüme sich nicht sonderlich von den restlichen Darstellern auf der Bühne unterscheiden.

Die Choreographie von Danny Castello ist mitreißend und die fünfköpfige Band gibt auch ein gutes Bild unter der musikalischen Leitung von Sebastian de Domenico ab und bekommt balladenähnliche Songs wie „There’s a light“, „I’m going home“ ebenso gut hin, wie das rockige „Hot Patootie“ oder den Klassiker „Time Warp“.

Tobias Regner

Alles in allem ist es eine wirklich sehr gute Inszenierung vor beeindruckener Kulisse (Bühne und Kostüme: Christopher Weyers),  mit bekannten Gesichtern aus der Musicalbranche auf der Bühne, die vollen Einsatz zeigen und das Publikum mitreißen.

Eine ganz tolle Idee: Für nur 3 Euro wird man an diversen Verkaufsstellen mit einem schönen RHS-Leinenbeutel versorgt, der alles hat, was das Herz begehrt, um interaktiv an der Show teilzunehmen. Man findet u. a. Wasserpistole, kleine Taschenlampe, Konfetti usw. samt Anleitung dort drin. Auf jeden Fall sollte man dies kaufen, da dann die Show gleich noch mehr Spaß macht!

Also… It‘s just a jump to the left and then a step to the right… Kauft Euch ein Ticket, denn “time is fleeting” und tanzt in Magdeburg den Time warp…

 

Karten:

50 € bis 28 € / erm. 43 € bis 23 € Tel.: +49 391 540 65 66eMail: kasse@theater.magdeburg.de

Fotos: Nilz Böhme

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