ChristO – die Rockoper

Eine Weltpremiere feiert an der Derniere minutenlang lautstarke Standing Ovations. Stimmung wie bei einem Rockkonzert. Der Theater-„Kessel“ brodelt gewaltig. Zuschauer  flippen regelrecht aus, ein Banner ziert die bordeauxsamtene Loge, Fans werfen Schlüpfer und Plüschtiere und das alles in einem alteingesessenen Theater ….
ChristO die Rockoper INtroWie die Zeit doch vergeht. Am 11. April fand die Premiere der Rockoper CHRISTO in München am Staatstheater am Gärtnerplatz statt und nur drei Monate später, am 30.7.08, ist Derniere. Dass bei so einer deutschen Eigenproduktion und Welturaufführung Tränen schwer zurückgehalten werden konnten versteht sich von selbst. Der Abschied nach 14 phänomenalen Vorstellungen, jedesmal mit Standing Ovations sowie jubelndem und tosendem Applaus fiel nicht nur den Darstellern schwer. Wie sehr jeder der Beteiligten sein Herzblut in diese Produktion gesteckt hatte war unübersehbar. Es nochmals ausdrücklich betont, dass diese Rockoper komplett „made in Germany“ ist. Ein weiterer Grund, besonders stolz darauf zu sein. Aber auch der Tatsache dass das Stück in einer Stadt wie München- einem Haifischbecken in der Theaterlandschaft- den Mut hatte, das Wagnis „Projekt ChristO“ einzugehen ist großer Respekt auszusprechen. Mit der ungewöhnlich talentierten und immer wieder faszinierenden Band VANDEN PLAS geht dieses Werk in die Geschichte ein. Unfassbar, was den Komponisten Andy Kuntz (Leadsänger) und Stephan Lill (Gitarrist), dem musikalischen Leiter Günter Werno (Keyboards) und den weiteren Bandmitgliedern Andreas Lill (Schlagzeug) und Torsten Reichert (Bass) mit ChristO gelungen ist. Wer die Jungs jemals näher kennen lernen durfte kann es mit absoluter Sicherheit nicht fassen, dass diese bodenständigen und natürlichen Typen Metalmusiker sind. Sie überraschen eben nicht nur mit ihrem Können. Unter der Regie von Holger Hauer (Interview folgt in Kürze) und der Intendanz von Herrn Dr. Ullrich Peters wurde eine Produktion geschaffen, über die nicht nur in Deutschland heiß diskutiert wurde.
Finale ChristODie lokalen Kritiken waren zu Anfang alles andere als positiv. Man hätte sich gewünscht, dass all diese Kritiker wiederholt das Stück besucht hätten. Einige hätten ihre Meinung sicherlich revidiert und sich eingestehen müssen, dass diese Rockoper neben dem magischen Reiz eine unfassbar hohe künstlerische Qualität aufweist. Es ist keine Inszenierung bekannt, die sich seit seiner Premiere in so kurzer Zeit derart gewandelt und entwickelt hat. ChristO ist gereift wie kaum ein anderes Bühnenspektakel. Es wurde permanent gefeilt und daran gearbeitet. Texte wurden bis kurz vor Hochheben des Vorhanges optimiert und verbessert. Von Show zu Show durchlebte die Handlung immer klarere und verständlichere Strukturen. Dieses Stück LEBTE von der Premiere bis zu seiner Derniere in jeder Minute. Gibt es in diesem Genre etwaige Vergleiche?
Andy Kuntz Stephan Lill Vanden PlasNicht verwunderlich also, dass auch die Protagonisten stets motiviert an ihren Rollen arbeiteten. Die Harmonie innerhalb der Cast war spürbar und auch unübersehbar. Dies war mit Sicherheit ein weiteres Geheimrezept dieser gelungenen Produktion. Kein Wunder, so war die Derniere ein Feuerwerk an Emotionen, ein Bühnenspektakel auf höchsten Niveau und ein unbeschreibliches Erlebnis in der Geschichte des Musicals bzw. der Rockopern. Die Hauptprotagonisten Andy Kuntz und Chris Murray –  MFJ hat in den Berichten über die Generalprobe bzw.im Showbericht bereits ausführlich geschrieben- glänzten von Vorstellung zu Vorstellung. Sie ernteten mit Abstand verdient den meisten Applaus. Über diese beiden Vollprofis lässt sich weiter nichts mehr hinzufügen als EINFACH PHANTASTISCH! Neben ihnen haben alle Darsteller durchweg starken Eindruck im Laufe der Produktion hinterlassen.
Agnes Hilpert Philippe DuclouxZum einen wäre da Agnes Hilpert, die mit der Rolle der Madame Mondego gerade in den Premierenkritiken blass und dünn beschrieben wurde. Die Schauspielerin und klassische Sängerin ist DIE Entwicklung in der gesamten Spielzeit. Ihre Stimme hat bemerkenswert an Sicherheit, Fülle und Volumen gewonnen. Umso überzeugender konnte sie dadurch ihr Schauspiel zur Geltung bringen und unterstreichen.

Weiter wäre da der gelernte Schauspieler Thomas Peters in der Rolle des Zahlmeister Danglars. Die Rolle findet seine Existenz lediglich im ersten Akt und auch gesanglich sind keinen großen Passagen für die Rolle vorgesehen. Mit einem grandiosen Schauspiel gelang es Peters humorisch gerade vor seiner Sterbeszene dem Publikum Lacher zu entlocken. Es hört sich in diesem Zusammenhang seltsam an, aber gerade diese Szene lässt den Charakter Danglar doch um einiges verständlicher erscheinen. Er hat in dieser kleinen aber feinen Rolle bleibende Eindrücke hinterlassen.
Milica Jovanovic Sven FliegeDie Newcomerin und Schulabgängerin Milica Jovanovic (Interview folgt in der nächsten Saison zu „Sweeny Todd) erzeugte rundum erstaunte Gesichter. Sie befand sich während der Spielzeit in ihrer Abschlussphase an der Schauspielschule. Diese Rolle war also nicht unwichtig für das junge Talent, das auf der Bühne strahlt und durchweg positiv beeindruckt. Diese Nachwuchsdarstellerin hat absolutes Potenzial für eine ganz große Karriere. MFJ wird „am Ball“ bleiben.
Weiter wäre da Uli Wewelsiep, Inspector X, Zweitbesetzung von Chris Murray. Unglaublich, wie der sympathische Sänger der Rolle seine ganz eigene Charakterfarbe  verlieh. Bemerkenswert seine Interpretation, die dem deutschen Musical-Superstar Chris Murray in keinster Weise nachstand. Niemals trat auch nur der geringste Gedanke auf, dass er Murray „nur“ vertrat. Wewelsiep ist Vollprofi und seine Leistung verdient höchstes Lob. Es gelang im famos, sich in seinen wenigen Shows als X derart zu etablieren.
Der athletische Philippe Ducloux istmit Abstand der Eyecatcher der Show. Sein Charakter, der des fiesen Staatsanwalts Villefort, hat den wohl schwersten gesanglichen Part mit dem Solo „Free the fire“. Die massiven Höhen und sein professionelles, gelungenes Spiel mit der Singstimme durch das Einfließen von Stimmtechniken aus Musical, Rock und Oper erntet selbst unter Kollegen anerkennendes Lob. Mag seine Szene eine der Umstrittensten des gesamten Werkes sein – immerhin ermordet er zwei Prostituierte inmitten des Liebesspiels… – Ducloux ist ein vielseitiger Darsteller, bei dem Frauen sowie Männer nicht mehr nur auf seinen Körper achten und ins Staunen geraten.
Mischa Mang Thomas PetersSeine Zweitbesetzung Mischa Mang hatte seine letzte Show am 28.6.08. Mang stellt nicht nur optisch sondern auch stimmlich einen Gegensatz zu Ducloux dar, was interessante neue Aspekte der Show zufügte. Mang, doch um einiges größer gewachsen und mit tieferem Stimmtimbre verlieh seinem Staatsanwalt einen ganz anderen Charakter. Dem Fiesling hinzukommend spielte er überzeugend betont „schleimig“ und „schmierig“. Ducloux dagegen ließ „seinen Staatsanwalt“ mit Charme und Hinterlist für seine Interessen und Machenschaften arbeiten.
Über Sven Fliege hat MFJ schon so einiges Positives berichtet. Auch er zählt zu den Newcomern. Fliege hat in der Rolle des straighten Albert Mondego nicht wirklich große Möglichkeiten seine Rockstimme zur Geltung zu bringen. Trotzdem hat er sich im Laufe der Spielzeit einen großen Platz in die Herzen der Zuschauer ersungen und erspielt. Gerade im Duett „Isn’t it a wonder“ mit Milica Jovanovic kann er zeigen, dass ihm durchaus Balladen stehen. In „hurricanes and butterflys“ kann man seine wunderbare, volle und auch tiefe Stimme sehr angenehm und schön heraushören. Auch diesen talentierten Darsteller wird MFJ weiterhin beobachten.
Holger Hauer (Interview folgt), Regisseur der Rockoper, war an diesem Tag leider aufgrund von Probenterminen des Musicals „Footlosse“ in Tecklenburg verhindert um der Derniere beizuwohnen. Er hat zudem die Zweitbesetzung des Faria übernommen. Normalerweise verkörperte er Fernand Mondego in der Rockoper. Dies hat Markus Wandl an der Derniere für ihn übernommen. Wandl verfügt über eine komplett andere Stimmfarbe als Hauer und verleiht dem Charakter Fernand eine ganz andere Erscheinung. Wandl hatte wie Wewelsiep nicht viele Shows, in denen er sich einspielen konnte. Auch ihm sei großes Lob für seine Leistung ausgesprochen.
Dirk Lohr Uli WewelsiepLast, but not least ist da Dirk Lohr. Er war der Pechvogel des Abends. In einer seiner Szenen im zweiten Akt stürzte er auf der Bühne. Trotz sichtlicher  Schmerzen im Bein spielte er seinen Dialog zu Ende und musste dann von Sven Fliege gestützt von der Bühne geführt werden. Das war mehr als nur bedauerlich. An dieser Stelle wünscht MFJ dem – laut seiner eigenen Aussage „ROCKOPA“- Dirk Lohr die allerbesten und liebsten Genesungswünsche. Auch wenn die Rolle des Faria nur sehr klein ist, so hat sie doch die große Aufgabe Vernunft in die gesamten Charaktere des Stückes zu bringen. Faria rüttelt deren Verstand auf und regt zum Nachdenken an. Dirk Lohr hat diese Rolle überzeugend und verkörpert.
Als Resümee ist zu sagen, mit ChristO ist eine neuartige, einzigartige und absolut bemerkenswerte Rockoper entstanden. Die Eindrücke, die das Stück hinterlassen hat sind derart facettenreich, wie es kaum ein Bühnenstück erzeugt. Ein Geheimrezept waren mit Sicherheit die tollen Darsteller, begnadeten Musiker und das wunderbare Team hinter-auf-vor-neben der Bühne, das zu jeder Zeit hinter dem Projekt stand. Die langen Standing Ovations, das Gejohle und Gejubele der Zuschauer gab unmissverständlich zu verstehen, dass sich das Stück seinen Platz in der Musiktheaterwelt erobert hat. MFJ wünscht ChristO und seiner Band Vanden Plas weiterhin große Erfolge für die Zukunft und freut sich, auf ein Wiedersehen im alten Schiffswrack… mit vielleicht altbekannten Gesichtern?!

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