Victor/Victoria Wenn eine Frau vorgibt ein Mann zu sein, der vorgibt eine Frau zu sein…

… dann klingt das zu Beginn ganz schön verwirrend, aber das Alte Schauspielhaus hat sich vorgenommen, Victor/Victoria in Stuttgart dem Publikum nahe zu bringen und, um das Fazit schon mal etwas vorwegzunehmen, hat dies mit Bravour gemeistert. 

Die Premiere an diesem 13.12.2013 war also ein voller Erfolg und  die weiteren Vorstellungen sind so gut wie komplett ausverkauft. Wer also noch eine Karte ergattern möchte, sollte sich sputen.

Die Geschichte: Die mittellose Victoria Grant kommt nach Paris, um dort als Sängerin bekannt zu werden und vor allem wieder Geld zu verdienen. Nach dem ersten erfolglosen Vorsingen lernt sie Toddy kennen, der ihr anbietet bei ihr zu wohnen. Nachdem ihr klar geworden ist, dass von Toddy keine Gefahr droht, da er sich gerade erst von seinem Freund Richard getrennt hat, nimmt sie das Angebot gerne an. Durch ein kleines Missverständnis wird Victoria von Richard für Toddys neuen Freund gehalten, was zu der genialen Idee führt: Victoria wird zu Graf Victor aus Polen, einem dort sehr bekannten Frauendarsteller. Denn Sängerinnen gibt es wie Sand am Meer – richtig gute Frauendarsteller sind aber selten. Nachdem der Plan gefasst ist, wird dieser erfolgreich in die Tat umgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt erscheint der Gangster und Frauenheld King Marchan auf der Bildfläche, der Graf Victor bald – wie ganz Paris- zu Füßen liegt und beginnt, an seiner sexuellen Orientierung zu zweifeln.

Wie immer zeigt das Alte Schauspielhaus in Stuttgart, dass man keine Riesenbühne und kein aufwändiges Bühnenbild benötigt, um die Zuschauer nach Paris zu entführen. Rechts und links auf der Bühne befinden sich zwei Treppen, die zu den Musikern führen, die dann oberhalb des Bühnenbildes saß.

Man muss wissen, dass Victor/Victoria kein Stück ist, dass von der Musik getragen wird, sondern für mich lebt es vielmehr von der Komik, die auch die teilweisen langen Sprechpassagen zwischen den Liedern nie langatmig werden lässt. Durchweg alle Darsteller haben das Talent, die Pointen zielgerichtet zu platzieren, so dass kein einziger Witz unterging. Trotz dass die Musik für mich nicht im Vordergrund stand, muss man die hervorragenden Musiker erwähnen (Yu-Wei Ku, Heige Rügert, Katrin Schüler-Springoum, Brigitte Haas und Judith Goldbach), die tadellos gespielt und vor allem die Jazz-Passagen wunderbar rübergebracht haben.

Volker Risch verkörperte den Toddy und tat dies mit einer herrlichen, witzigen und natürlichen Art. Ab dem ersten Augenblick in dem er auf die Bühne kommt, hat man ihn direkt ins Herz geschlossen, und das bleibt auch das ganze Stück erhalten. Er hat eine sehr angenehme Stimme, die hoffen lässt, dass Toddy – welche seine erste Rolle in einem Musical war – nicht seine letzte bleibt.

Antje Rietz übernimmt die Titelrolle und überzeugt als mittellose Victoria, glamouröser Victor und dann wieder als verliebte Victoria. Sie hat eine große Bühnenpräsenz und mit ihrem wahnsinnig hohen Ton hat sie bestimmt schon öfters Gläser zum Zerbrechen gebracht. Sie hat mit Abstand die meisten Singpassagen zu bewältigen und tut dies mit einer wunderbaren klaren Stimme, die für mich auch sehr mit Victors Jazz-Nummern harmonierte.

Maja Sikora begeistert das Publikum als Norma, und was soll ich sagen, ich hab noch selten jemand so sympathisch schlecht auf eine Bar klettern und tanzen sehen und war so begeistert davon. Sie spielt das blonde Dummchen mit grandiosem Witz und selbst als später nicht mehr ganz so nett ist, mag man sie trotzdem noch. Sie ist einfach durchweg für einen Lacher gut und auch an ihrer gesanglichen Leistung gibt es absolut nichts auszusetzen.

 Jan Ammann dürfte wohl allen Musicalfans ein Begriff sein. Er stellt den Gangster und Frauenheld dar. Er zeigt hier sein volles komödiantisches Talent, und wer schon immer mal sehen wollte, wie er sich über ein Bett rollt um sich danach elegant darunter zu verstecken, sollte Vicor/Victoria nicht verpassen. Er bedient alle Facetten (von „arrogantes Arschloch“ zu „Ich glaube ich könnte mich in ihn verlieben“) und ist herrlich zerrissen, als er selber an sich zweifelt, ob er tatsächlich schwul sein kann. Das einzig Negative was mir einfällt ist, dass er einfach zu wenig singt, aber da kann er ja nun wirklich nichts dafür. Ich finde es gelungen und sehr erfrischend, ihn mal in einer kleineren Produktion zu sehen und kann diese jedem Jan Ammann Fan nur ans Herz legen.

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Eigentlich kann auch zu jedem weiteren der Darsteller nur Positives geschrieben werden, da dies aber den Rahmen sprengen würde, fasse ich diese kurz zusammen:

Michal Hiller ist wunderbar dabei anzusehen, wie er sich selber entdeckt und eine neue Liebe findet. Reinhold Ohngemach, Martin Planz, Luigi Scarano, Fabiana Denicolo, Daniel Wernecke, Tanja Schön, Verena Raab und André Naujoks komplettieren die Cast. Dabei ist festzuhalten, dass alle perfekt harmonieren und vor allem die Choreographien schon sehr synchron und schön anzusehen sind.

Die Inszenierung von Ulf Dietrich ist stimmig und auch hier gibt es nichts auszusetzen. Zu keiner Zeit hat irgendetwas unpassend gewirkt, alles zusammen ergab ein großartiges Gesamtbild.

Dass auch dass Premierenpublikum begeistert war, zeigte sich in den Standing-Ovations und dem minutenlangen Applaus, was den Darstellern viele viele Vorhänge bescherte. Das Alte Schauspielhaus hat es wieder einmal geschafft, ein unbekanntes, dennoch wunderbares Musical auf die Bühne zu bringen und mit diesem Juwel das Stuttgarter Publikum mitzureißen.

Vorstellungen gibt es noch bis zum 01.02.2014, Karten und weitere Informationen unter www.schauspielbühnen.de. Alle Fotos sind Pressefotos des Alten Schauspielhauses.

Fotos:  Jürgen Frahm

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