Wann sind wir dran? Die Angst vor dem großen Moment

Wann sind wir dran Bielefeld

Das Loft (Opernstudio) im Bielefelder Stadttheater lädt kurz vor Weihnachten wieder zu einer Premiere ein, die wahrlich eine musikalische Kostbarkeit ist.

Am 19.Dezember 2011 sorgten Carlos H. Rivas und William W. Murta für einen ausverkauften Saal.

Es reichen zwei Personen, um mit locker fröhlichen Texten und 12 spritzigen und auch nachdenklichen Liedern einen kleinen Querschnitt durch viele Musicals zu zeigen.

Rivas spielt einen kapriziösen Tenor am Rande eines Nervenzusammenbruchs mit seinem nur vordergründig ruhigen Pianisten auf der Suche nach dem richtigen Lied für ihren großen Auftritt. Aber was ist das richtige Lied – wenn der eigene Auftritt zwischen den Weltstars Barbra Streisand und anderen großen Sängern liegt? Normale Aufregung steigert sich in großes Lampenfieber. Eine Situation, die viele kennen, die vor einer großen Menschenmenge etwas sagen müssen. Und das auch Künstler davon nicht verschont sind, zeigen und Rivas und Murta in gut 70 kurzweiligen Minuten.

Außer den beiden Darstellern ist keiner der großen Stars wirklich vor Ort. Ihre Namen werden  nur genannt und eine gewollt laute, manchmal erschreckende Sprechdurchsage unterbricht den Dialog von dem Tenor und seinen Pianisten immer wieder und nervt zum Ende hin den Tenor sehr. Viele Requisiten sind nicht notwendig; ein paar Kleidungsstücke, ein Stuhl und der Flügel. Trotzdem kann man sich schnell vorstellen, wie der Tenor und sein Pianist die Minuten vor ihrem Auftritt in einem kleinen Übungsraum mit Warten verbringen. Seit mehr als 10 Jahren treten die Beiden bei vielen Gelegenheiten zusammen auf, aber der heutige Abend ist mehr als ein kleines Konzert in  Gütersloh oder der Loft in Bielefeld. Es ist der größte Auftritt, den sie je hatten. Elegant gekleidet in schwarzer Hose, strahlend  weißem  Hemd mit  Weste und Fliege ist eigentlich alles bereit. Nur was soll gesungen werden? Der Magen krampft sich zusammen, nervöses Knabbern an den Fingern und angsterfüllte Augen bei dem Tenor Carlos H. Rivas. Sein Pianist William W. Murta zeigt nach außen hin Ruhe und Gelassenheit. Die Durchsage der Sprechanlage, die die Künstler backstage  informiert, ruft Liza Minnelli zu ihrem Auftritt. Rivas seine Nervosität steigert sich, als Murta ihm berichtet, wer außer ihnen noch alles auftritt. Mit dem ersten Lied „Entspannt, entspannt, ich bin so entspannt“ kehrt Ruhe bei Rivas ein, allerdings stellt er dann mit „Mr. Cellophan“  fest, dass ihn wohl doch keiner bemerken wird und jeder nur durch ihn hindurchsehen wird. Wieder unterbricht die Sprechanlage mit lauter Stimme den Moment und ruft Lena Meyer-Landrut zum Dirigenten, da ihre kompletten Noten verschwunden sind und die Vorstellung nun begonnen hat. Weiter geht für Murta und Rivas die Programmsuche. Aber wenn viele Musical Stars in der Show sind, was bleibt dann noch übrig, was nicht einer von ihnen schon selbst mal auf der Bühne gesungen hat? Mit ihrem Lied soll weder ein Happy Koma noch ein Trauerbild bei den Zuschauern erzeugt werden und der Pianist wirft ein, dass er neben dem großen Tenor auch ein wenig bemerkt werden möchte. Vorschläge werden gemacht, kurz diskutiert und gleich wieder verworfen. Frauensongs erscheinen attraktiver oder der Wunsch nach einem Duett. Zwischen den Beiden scheint eine Einigung unmöglich und der Pianist will sogar alles abbrechen und gehen. Einen einzigen Song zu singen ist nicht so schwer….aber halt nur genau nach Barbra Streisand macht dieses fast zur Unmöglichkeit. Schließlich kommen sie zur Erkenntnis, dass es doch gar nicht so wichtig ist, was man singt, sondern das Rivas überhaupt singt! Die Sprechanlage ruft Rivas und Murta auf die Bühne – es ist soweit! Was wird gesungen? Am besten dass, was ihnen zuerst in den Kopf kam. Mit „ Music of the night“ aus „Phantom der Oper“ kam nun also der fiktive Auftritt auf der großen Showbühne. Carlos H. Rivas konnte in diesem Lied seine gesamte Stimmbreite zum Ausdruck bringen und sang gefühlvoll und voller Inbrunst.

Das real sitzende Publikum in Bielefeld würdigte das 2-Personen Stück mit viel Applaus, Blumen  und strahlenden Gesichtern. Die beiden Darsteller brachten auch gern noch eine Zugabe.

In den verschiedenen Liedern des Stückes konnte Rivas gut sein gesangliches und auch schauspielerisches Talent zeigen. Die Bandbreite seines Könnens reicht von Oper bis hin zur Revue. Auch hat er eine sehr ausdrucksstarke Mimik, die die verschiedenen Gefühle in dem Musical gut wiedergibt.

Erfreulich war, dass William W. Murta diesmal nicht nur für die musikalische Untermalung  zuständig war, sondern auch Sprechpassagen hatte. Vordergründige Gelassenheit, ansteigende Unruhe und dann schließlich die routinierte Perfektion waren sehr gut dargestellt.

Für das nächste Jahr gibt es noch vier Termine, dieses Stück zu sehen:

22.01.,30.01.16.02,und 21.02.2012

Karten gibt es unter 0521/515454

Weitere Informationen auch zu anderen Vorstellungen vom Stadttheater Bielefeld gibt es unter

www.theater-bielefeld.de

Regina Tegeler für Musicalfotojournalismus

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Publizistik abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.