„Laziest girl“- Kracher mit viel Pfeffer!

Babara Köhler„Ich hab geträumt vor langer Zeit“, dieser Satz drückt aus, was Barbara Köhler 1993 mit Beginn ihrer Karriere als Musicaldarstellerin gedacht haben mag. Jetzt stand sie von Juni bis August in Bad Hersfeld in der Produktion von „Les Miserables“ als enttäuschte und verachtete Fantine auf der Bühne. In rund 27 Vorstellungen begeisterte sie das Publikum und entführte es überzeugend mit ihrem wunderschönen Mezzosopran in eine Welt, in der Fantine liebt, leidet und schließlich stirbt. Mit ihrer beeindruckenden emotionalen Interpretation produzierte sie reihenweise Gänsehaut und Tränen. Wir trafen den quirligen, blonden Wirbelwind mit dem ansteckenden Lachen in München und haben über ihre Zukunftspläne gesprochen.

Barbara, im Juli/August standst Du als Fantine in „LeMis“ in Bad Hersfeld auf der Bühne, bzw. in der Ruine. Welche Erfahrungen und Erlebnisse nimmst Du mit?

Also, es war eine unglaublich homogene Cast und alle haben echt was gekonnt. Es war nicht so, dass Leute „nur“ Ensemble gesungen haben. Da waren Stimmen dabei, da knie ich nieder… Schade eigentlich. Ich weiß, es ist alles nicht so einfach. Ich hatte bisher immer Glück bei den Rollen die ich bekommen habe, das waren sehr häufig Hauptrollen. Glück heißt aber nicht, dass ich nichts kann. Ich bekomme natürlich auch nicht immer das, was ich will. Das ist auch normal und das geht Jedem so. Ich betrachte mich aber immer als Teil des Ensembles. UND – ich hab mich schon beim Schminken köstlich amüsiert… einmal da hab ich Jimmy Hendrix auf dem Todeskissen imitiert… (kringelt sich vor lachen)

Die Gerüchte lauten, dass „LeMis“ nächstes Jahr wieder in Bad Hersfeld gespielt werden soll. Könntest Du Dir vorstellen wieder mitzuwirken?

Die Hoffnung immer war da. Aber leider wird es nicht mehr gespielt. Ich bin auch ganz unglücklich darüber, denn wir haben soviel Herzblut hineingesteckt, es war einfach eine tolle Zeit. Dass „LeMis“ nicht mehr gespielt wird hat interne Gründe, zu denen ich mich leider nicht weiter äußern kann. Wenn wir es noch mal gespielt hätten, dann wäre es bestimmt auch die selbe Besetzung gewesen, also wäre ich auch dabei gewesen.

Du hast 1996-1998 in Duisburg die Eponine in diesem Musical gesungen. Kannst Du Dich noch an die Zeit erinnern?

Es war eine wunderbare Show, aber ich war in der Stadt so unglücklich. Ich war da immerhin fast 2,5 Jahre. Es war einfach komisch in so einer Stadt mit so vielen Arbeitslosen „Les Miserables“ zu spielen. Das macht keinen richtigen Spaß. Überall diese Fabrikschlote, diese Luft.  Ich habe dann auch meinen Vertrag nicht verlängert und wollte einfach nur noch gehen. Das war auch die beste Entscheidung. Das ist aber auch keine Schande, das geht Vielen so.  Wenn Du dann mit Dir im Reinen bist, dann kannst Du auch den Rest Deines Vertrages befreit spielen und so ist bei mir noch mal ein richtiger Schub durch die Rolle gegangen.

Welche Rolle findest Du interessanter- die der Fantine oder Eponine, und warum?

Vor der Fantine hatte ich großen Respekt. Ich habe die Eponine unheimlich geliebt und habe auch unglaublich viel positives Feed-back für die Darstellung bekommen. Die Fantine ist so ganz anders, mit dieser Rolle hatte ich mit Eponine auch nie etwas zu tun, denn die beiden begegnen sich in dem Stück ja nicht, dadurch bekommt man nie so genau mit, was da genau passiert. Ich selbst habe auch ein Kind. Es ist jetzt eineindreiviertel Jahre alt. Ich bin eh so eine Heulsuse und das berührt einem dann noch mehr, wenn man singen muss, das man Angst hat, wenn das eigene Kind stirbt. Ich hab schon bei den Proben angekündigt, dass das eine Heulpartie wird. Und schon beim Lesen des Klavier-auszuges hatte ich Probleme „Ihr habt mein Kind geliebt…“ zu singen.  Wie soll ich das jemals singen, wenn ich da jedes Mal einen Kloß im Hals habe? Da musste ich mich erst mal annähern. Aber, die Rolle hat mir einen unglaublichen Spaß gemacht. Ich habe da ganz andere  Facetten zeigen können und ich hätte das nie gedacht. Die Sarah in „Tanz der Vampire“ hat mir mindestens genauso viel Spaß gemacht wie die Eponine, weil, man die Leute da noch mal auf eine ganz andere Ebene berühren kann. Es berührt und ist tragisch, wenn die Eponine stirbt. Aber die Fantine ist diejenige, weshalb das ganze Stück überhaupt stattfindet. Du leitest die Leute in die Geschichte ein und wenn das nicht stimmt, was Du da gemacht hast, dann ist es schwierig, dass der Rest funktioniert. Wenn die Leute aber das glauben, was Du da gemacht hast, dann sind sie bereit sich auf diese lange – verdammt lange Geschichte – einzulassen und deshalb macht die Rolle umso mehr Spaß, weil man einfach eine große Verantwortung trägt. Aber wen ich lieber spiele – das eine war zu der Zeit und das nun zu dieser Zeit. Das war genau richtig so wie es war. Alles hat seine Zeit, jede Rolle hat ihre Zeit.

Du singst in „Ich hab geträumt vor langer Zeit“ mit einem unglaublichen tiefen, vollen und ausdrucksstarken Mezzosopran, der pure Gänsehaut verschafft. Selten singen Frauen so tiefe Passagen…

Ohja, also, ich bin ja ein echter Mezzo (schwärmt). Ich bin sooo froh, dass ich endlich mal eine echte Mezzo Partie singen durfte. Klar, im Pop singt man im Sopran, oder im Belt aber bei den meisten Leuten kommt da nur noch heiße Luft und es hat mir an der Stelle soviel Spaß gemacht mal so richtig aufzusaften… Ich dachte mir nur „shit happens, I can do it!“ Es ist schade, bei den Frauen wird die Stimme unten nie so richtig ausgenutzt. Es gibt am Ende des Stückes eine Stelle: „bei Gott wird Frieden sein“ zwei Optionen, wie man das singen kann. Ich wurde gefragt, welche Version ich machen möchte und ich sagte ganz klar, das Original, weil ich das kann. Und das hat mir auch so richtig Spaß gemacht.

„LeMis“ ist musikalisch, sowie thematisch gesehen, eines der grandiosesten und anspruchsvollsten Musicals unserer Zeit. Emotionen pur sind garantiert. Was fühlst Du, wenn Du die Reaktionen des Publikums wie z.B. Weinen siehst?

Ich kriege das leider nicht so sehr mit. Es ist zwar immer schön, wenn man als Darsteller „stirbt“ und dann hört, wie sich jemand verzweifelt die Nase reibt.  Das ist ein schönes Erlebnis. In Bad Hersfeld war es aber sooo kalt, dass man nie wusste, ob es vor Traurigkeit oder vor Frostbeulen war (lacht herzlich auf). Ich dachte immer, war das jetzt wegen mir oder dem Wetter? Aber man kriegt das mit und das ist gut und schön.

Gibt es in LeMis eine weitere Rolle, die Du gerne singen würdest?

Ja natürlich! Die Sanni hat sie mir in Bad Hersfeld weggeschnappt (zwinkert vergnügt und lacht)! Die Mrs Thenardier!!! Die Sanni hat das natürlich hervorragend gemacht, aber ich gedenke das eines Tages noch zu toppen (grinst schelmisch über das ganze Gesicht) Die Rolle  würde ich gerne noch machen, denn ich lasse sooo gerne die Sau auf der Bühne raus.

Dein Reportoire umfasst so ziemlich alle Bereiche, die das Musicals bietet: Poppig wie „Grease“, modern wie „Tanz der Vampire“ und letztlich klassisch wie „LeMis“. Dein Wunsch zum Musical zu gehen entstand, laut Deiner Aussage, als Du JCS im Kino gesehen hast. Warum fehlt das Stück in Deiner Liste?

Ja stimmt, ich ging ins Kino sah das, ging raus und wusste, was ich mit meinem Leben machen wollte. Und ich glaube, das war DIE Entscheidung. Wieso es noch fehlt? Viele Regisseure können sich das noch nicht vorstellen, dass ein blonde Frau in dem Stück spielt, wenn man keine langen schwarzen Haare hat. Die denken nicht immer daran, dass es eine Maskenabteilung gibt, das wird oft vergessen.  Aber sonst, es hat sich leider noch nicht ergeben. Es passte auch zeitlich manchmal nicht. Außerdem, die Maria Magdalena ist ausgerechnet auch noch die lang-weiligste Rolle in dem ganzen Stück. Männerrollen sind alle viel interessanter, wenn mir jemand eines Tages eine Männerrolle anbietet, bin ich gerne dazu bereit das zu machen (lacht laut los!) Etwas transponieren, und …gut…

Du in großen Produktionen und kleinen Häusern gesungen und gespielt, wie z.B. im Schmidts Theater in HH. Was ist für Dich positiv und was negativ daran?

Babara KöhlerEs ist wichtig das man beides macht. Klar, es ist Glück, ob man überhaupt ein Angebot bekommt. Aber nur Großproduktionen zu machen wäre höllisch. Es ist zwar eine tolle Erfahrungen, aber man hat diese Long-Run-Verträge wo man nicht so flexibel ist. In kleineren Theatern hat man mehr Publikumsnähe und muss auch andere Sachen leisten. In klei-neren Produktionen muss man viel selber machen, wo man es sonst nachgetragen bekommt. Nach „Tanz der Vampire“ war ich so ausgelaugt und wollte mit dem Beruf aufhören, denn ich wolle immer 100 % geben. Ich habe gemerkt, ich kann nicht mehr, ich ertrage das nicht mehr und wenn ich so weiter mache, dann ist von mir persönlich als Babsi nicht mehr viel übrig. Ich kam danach zur Produktion Contra-Kreis-Theater und da habe ich erlebt, wie mir 250 leuchtende Gesichter auf  2 Meter entgegen sahen. Und wenn Du jeden Abend vor der ersten Zugabe schon Standing Ovations, dann weißt Du, warum und wofür Du das machst. Wenn es einem gelingt, die richtige Mischung zu finden, dann kann man sich sehr gut aufs Musical konzentrieren. Man verliert auch nicht den Realitätssinn, wie vielleicht Leute, die nur in Großproduktionen tätig sind. Ich würde niemals nur eines bevorzugen. Ich bin für Beides dankbar und alles was ich gemacht habe war gut und es gibt keine einzige Sache, für die ich mich schäme. Es war qualitativ alles hervorragend, es waren wunderbare Leute und es war mir eine Ehre, mit all den Menschen zusammen zu arbeiten.

In welchem Musical und in welcher Rolle würdest Du unbedingt gerne mitspielen?

Das wird man immer gefragt, aber man kann sich das selten so vorstellen. Ich hätte nie gedacht, dass ich eine Eponine oder Sarah werde. Das passiert einfach. Für mich ist jede Rolle eine Traumrolle, ob das nun in kleinen oder großen Theatern ist. Ich hatte immer Spaß. Ich mache immer alles 100%-ig und ich bemühe mich darum und dann kommt es automatisch, was eine Traumrolle ausmacht. Wenn es etwas gibt, was man nicht möchte, dann muss man sofort gehen, denn das merkt auch das Publikum. Dann ist man auch nicht glücklich und entwickelt Falten, wo sie nicht nötig sind.

Gibt es schon feste Engagements, Konzerte oder ähnliches, die Du in nächster Zeit musicaltechnisch annehmen wirst?

Ja, auf meiner  Hompepage stehen die Termine. Ich mache mehrere Galas und gehe auch mal aufs Schiff, (runzelt die Stirn…) aber ich habe den Namen des Schiffes vergessen (grinst). Dann kommt das Konzert mit Anne Welte, auf das ich mich wahnsinnig freue, denn wir haben schon in drei Produktionen mit-einander gespielt und es wird Zeit für ein Wiedersehen.

Sprechen wir über Deine Solo-CD „Laziest Girl“. Neben bekannten Songs aus Musicals wie „LeMis“ oder „AIDA“ oder „West Side Story“ werden auch andere Lieder zu hören sein. Was erwartet uns?

Das ist ein Projekt das mir sehr am Herzen liegt, und für das wir 3 Jahre gebraucht haben, denn zunächst mussten wir die Lieder zusammenstellen. Ständig wurde das Programm umgeworfen. Es sind nur Sachen drauf, die mir persönlich wichtig sind und schön sind und mir auch Spaß machen. Die CD kommt im Herbst raus, denn sie muss erst noch gema-stert werden und das dauert ein wenig. Insgesamt sind 12 Titel auf der CD, das ist eine gute Länge bei Musical-CDs. Teils sind sie gospelig angehaucht, soulig aber auch ganz klassisch interpretiert. Es ist ein bunter Mix an Stilen und so, wie ich sie interpretieren möchte. Es sind natürlich große Musicalhits mit drauf, ich singe zusammen mit Kevin Tarte und Martin Berger wunderbare Duette, wie z.B. von AIDA „Written in the stars“… Mir war auch ganz wichtig, dass die Songs von ganz großen Komponisten stammen. Aber es sind auch Sachen drauf, die keiner kennt, also Off-Broadway-Sachen oder aus „A new brain“ ist Sailing drauf, das zufällig dieses Jahr Premiere in Deutschland hatte. Dann ist ein Song drauf „Woman of the year“, der eigentlich für eine Männerstimme gedacht ist und den wir völlig neu aufbereitet und instrumentiert haben.

Worauf dürfen wir uns bei Deiner CD besonders freuen?

Ich hoffe, dass die Leute über die neue Version „Somewhere“ aus West Side Story überrascht sind, denn wir haben daraus eine Gospel-Version gemacht. Man sollte sich auch mal an so was rantrauen, eine neue Interpretation umzusetzen.

Babara KöhlerUnd auch das Cover ist interessant. Ich sehe da aus wie Marlene Dietrich, an ihr habe ich mich orientiert, es war also Absicht. Wir sind zu einem Fotografen in Bonn gegangen, der auch schon Sofia Loren abgelichtet hat, also jemand, der wirklich dieses „Old fashioned“ hinbekommt. Ja und dann eben der Song „laziest girl in town“ einer ihrer größten Hits, den ich aber ganz anders singe. So entstand der Titel für die CD „Laziest Girl“. Die ganze CD besteht also in allem so, wie es mir am Herzen lag.

Wirst Du mit den Liedern auch öffentlich auftreten?

Es ist erst mal nur die CD geplant, die muss zunächst rauskommen und alles Weitere wird dann nächstes Jahr entschieden. Das kommt auch auf die Resonanz an und wie es ankommt. Natürlich bin ich nicht abgeneigt ein Bühnen-programm zu geben, wenn die Leute sich darüber freuen.

Abschließend möchte ich Dir die Gelegenheit bieten, den Lesern von Da Capo das mitzuteilen, was Du ihnen vielleicht schon immer sagen wolltest.

Ich freu mich einfach, dass es Leute gibt, die ins Theater gehen und mir die Möglichkeit geben zu arbeiten. Wenn die Leute den Hintern hochkriegen und ins Theater gehen, dann sollen sie es tun, denn es lohnt sich, es bereichert das Leben. Also: Rennt ins Theater!

Erschienen: DaCapo 2007

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