„Cindy Reller“ – Das Cinderella-Märchen wird im Schmidt Theater auf den Kiez verlegt

Wer kennt es nicht, das Märchen von Cinderella, in Deutschland eher unter dem Namen Aschenputtel bekannt, die sich in einen Prinzen verliebt, ihrer Stiefschwester und der bösen Stiefmutter!? Diesen Stoff nahmen sich Carolin Spieß (Regie), Martin Lingnau (Buch und Musik), sowie Heiko Wohlgemuth (Buch und Songtexte) zur Brust und haben geschaut, wie die Story wohl in der heutigen Zeit mitten in Hamburg, nämlich auf dem Kietz, aussehen könnte. Herausgekommen ist dabei das lustige Schlager-Musical „Cindy Reller“: Cindy Reller, Stieftochter von Renate Reller-Rochen, Inhaberin einer Tierhandlung in St. Pauli, schuftet den ganzen Tag für die Familie. Kümmert sich um die Tiere, sehr schön und lebendig dargestellt durch bewegende Stofftiere und Handpuppen, allen voran ein Papagei, der schon die Slang-Sprache der anderen Tochter Blondie Rochen angenommen hat. Noch dazu muss Cindy sämtliche Hausarbeiten der Familie übernehmen; so kuscht so den ganzen Tag in gebeugter Haltung, von der Stiefmutter und Stiefschwester schikaniert. Cindy sitzt eines Abends in dem Laden und singt ein Lied – sie wäre so gerne Schlagersängerin. Dies hört zufällig Edelbert von Grootfru Junior, ebenfalls Schlagerfan und Sohn von dem cholerischen Edelbert von Grootfru Senior, der sich in der Werbebranche einen Namen gemacht hat. Edelbert Jr. arbeitet ebenfalls in der Firma, allerdings bisher eher erfolglos. Nun soll er aber für eine wichtige Werbekampagne einen Song finden. Diesen Song findet er in dem Lied, welches Cindy singt. Leider sieht er sie nicht, kann aber eine Aufnahme ihres Gesanges machen. Am nächsten Tag geht er in die Tierhandlung und stößt auf Cindy – bei beiden funkt es sofort. Renate taucht auf und erzählt hinter Cindys Rücken, dass der Gesang von ihrer Tochter Blondie kommt. Blondie ist ein zickiges, sehr dummes Ghetto-Mädchen; das komplette Gegenteil von Cindy. Auf einem Kostümball der Werbefirma wird es dann richtig interessant für alle Beteiligten: Die Tochter des Scheichs von „Dubidubidubai“, für den die Werbekampagne ist, soll mit Edelbert Jr. verheiratet werden, Blondie soll mit Playback das Werbelied singen und dann taucht auch noch Cindy auf, obwohl Blondie und Renate zuvor ihr Kleid zerstört haben. Wie diese Story ausgeht, kann noch bis zum 01. Juli und dann wieder vom 17.8. – 28.10.2017 in Erfahrung gebracht werden. 

Das Stück ist sehr lustig, perfekt für einen schönen Abend in Hamburg gemacht. Die Lieder gehen sofort ins Ohr, begeistert klatscht das Publikum mit und es mag die offene Art, mit der die Darsteller mit den Zuschauern umgehen. Die Besetzung ist sehr gut ausgewählt, allen voran ein wirklich hervorragender Benjamin Sommerfeld als Edelbert Jr., der mit seiner wunderbaren Mimik und Betonung seiner Rolle eine sehr sympathische Note verleiht. Gesanglich einwandfrei, – besonders im „A-Cappella-Song“ kann er zeigen, was er kann.

Blondie wird von Elena Zvirbulis gespielt – perfekt führt sie dem Publikum vor Augen, wie man heutzutage ihrer Meinung nach als junge Frau sein muss: Rosa angezogen, lange blonde Haare, die dringend mal eine Spülung benötigen, dicke Make-up aufgetragen. Nur schade, wenn hinter der Optik nicht viel mehr ist. Dumm wie Brot, könnte man sagen. Mit falscher Grammatik, falschen Worten und einer platten Art kann sie das Publikum zum Lachen bringen. Und ganz wichtig: Warum selber arbeiten, dann doch lieber von Hartz IV leben und sich dann einen reichen Millionär angeln. Ihr Geheimprojekt: Eine Singlebörse, die einem per eingängiger Melodie mitteilt, wenn der entsprechende Partner in der Nähe ist.

Ihre Mutter ist Renate Reller-Rochen, eine aufgetakelte, rauchende Frau, die weiß, dass ihre Tochter dumm ist, diese aber ihrer Stieftochter Cindy vorzieht – schließlich ist Blondie ja nun mal ihre „richtige“ Tochter. Simone Pohl überzeugt in ihrer Rolle und spielt herrlich fies die Stiefmutter – so, wie man sie sich vorstellt.

Kathrin Finja Meier ist Cindy; sowohl als „Unterste“ in der Familienhierarchie, als auch als verliebte Frau, die anfangs schüchtern ist, bis hin zum großen Finale, gibt sie ihrer Figur Leben. Eine gute Wahl, Meier zeigt den Wandel vom Mauerblümchen bis zur selbstbewussten Frau glaubwürdig.

Der oftmals ausrastende und wütende Edelbert von Grootfru Senior wird gut von Götz Fuhrmann gespielt, der oftmals mit Hilfe von seinem Angestellten Emsig (hervorragend abwechslungsreich von Mario Saccoccio gespielt) durch das beruhigende Lied „Bugalu, das kleine Bärchen“ heruntergeholt werden muss.

Die Handlung bekommt durch die Kulisse (Sam Madwar: Bühne und Videorealisation) einen ganz eigenen Charme. Die Tierhandlung ist mit sehr viel Liebe zum Detail gestaltet, überall gibt es etwas zu entdecken. Besonders schön sind die Videoanimationen, die an manchen Stellen noch mehr Leben durch kleine Details in die Geschichte bringen. Dazu noch das Durchbrechen der vierten Wand, als das Spiel zum Publikum hin und im Zuschauerraum.

16 Songs, die ins Ohr gehen, eine sehr gut ausgewählte Besetzung und sehr viel Komik machen diesen Theaterbesuch wirklich zu einem Erlebnis. Wer in Hamburg ist sollte diesem kleinerem Theater auch einen Besuch abstatten, da nicht nur die großen Shows in der Stadt überzeugen – auch diese Produktion muss sich hinter den Großproduktionen nicht vestecken und ist ohne Einschränkung zu empfehlen. Hier erlebt man einen wunderschönen, lustigen Abend mit netten Servicekräften, die das Publikum mit Getränken und kleinen Snacks versorgen!

Weitere Infos und Ticket gibt es HIER.

Copyright Fotos: Oliver Fantitsch

 

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